Schreiben wissenschaftlicher Texte

Das Endprodukt einer Untersuchung – zum Beispiel eine Proseminar- oder Seminararbeit - muss schon vor der eigentlichen Schreibphase im Auge behalten werden. Da beim Schreiben nochmals eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Gegenstand stattfindet, soll frühzeitig damit begonnen werden. Vor der Schreibphase muss eine Gliederung entworfen und eventuell besprochen werden. Das Schreiben ist eine Schlüsselkompetenz von jeder Historikerin und jedem Historiker. Am wichtigsten ist dabei, dass schriftliche Ausführungen präzise und reflektiert sind. Schreiben ist ein Prozess, der auch individuellen Vorlieben unterworfen ist. Die einen schreiben die Arbeit linear entlang der Gliederung, andere beginnen woanders und setzen die Arbeit aus Einzelteilen langsam zusammen. Bei der Gestaltung einer schriftlichen Arbeit müssen konkrete Vorgaben beachtet werden.

Beim Schreiben geht es darum, eigene Gedanken mittels Sprache in eine lineare und permanente Form zu bringen. Es handelt sich also um ein Thema, das über das Geschichtsstudium hinausgeht. Für den Fachbereich Geschichte ist die „narrative Kompetenz“ besonders wichtig. Sie wird sowohl mündlich praktiziert in den (Pro-)Seminaren als auch schriftlich beim Verfassen von Geschichtstexten. Über das Schreiben sind zahlreiche Handbücher für Studierende verfasst worden.

Sind die Gedanken unklar, widerspiegelt sich dies in der Sprache und umgekehrt: Erst mit der Übersetzung in eine präzise Sprache werden die Gedanken objektiv prüfbar. Zusammenhänge müssen sorgfältig formuliert und Begriffe – ob Fachbegriffe oder nicht – mit vollem Wissen darüber verwendet werden, was sie bedeuten und wie sie sich von anderen Begriffen abgrenzen.

Zu einem reflektierten Umgang mit Sprache gehört auch die Verwendung von nicht-diskriminierenden Formulierungen. Insbesondere im Hinblick auf eine gendergerechte Sprache haben sich zum Beispiel folgende Ausdrucksmöglichkeiten etabliert: Binnen-I (StudentInnen), Substantivierung (Studierende), Gender-Gap (Student_innen), Gendersternchen (Student*innen), Doppelnennung (Studenten und Studentinnen). Es empfiehlt sich, frühzeitig eine Form festzulegen und diese während des Schreibens konsequent anzuwenden. 

Insgesamt ist auf eine klare, gut nachvollziehbare Argumentation zu achten. Innerhalb der Ausführungen müssen die verschiedenen Argumentationsebenen getrennt und kenntlich gemacht werden: Handelt es sich beim Gesagten um Hintergrundwissen aus der Sekundärliteratur, um empirische Erkenntnisse aus den Quellen oder um eigene Beurteilungen? Wer sich in ein historisches Thema eingearbeitet hat, wird dadurch zum Experten. Deswegen wird verlangt, dass sie bzw. er ihre bzw. seine Aussagen kritisch reflektiert und sich ein eigenes Urteil bildet.

Je umfangreicher eine schriftliche Arbeit, desto wichtiger ist es, frühzeitig mit dem Schreiben zu beginnen. Beim Schreiben geht man vertiefter an die Thematik heran und stösst auf neue Fragen, die im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit geklärt werden können. Die Einleitung einer schriftlichen Arbeit kann erst am Schluss des Arbeitsprozesses ihre definitive Form erhalten, wenn klar ist, wie die Argumentation verläuft und welche Resultate erzielt werden konnten. Das Gleiche gilt für die Gliederung: Oft stellt sich heraus, dass Abschnitte oder Themen nicht entlang der ursprünglich geplanten Gliederung geordnet werden können. Es lohnt sich dann, die Textelemente (oft einzelne Abschnitte, aber auch längere Textteile) umzustellen und neu zu ordnen. Die anschliessenden Anpassungen (Überleitungen einfügen, Widersprüche und Wiederholungen eliminieren) sind oft weniger aufwendig als befürchtet.

Beim Schreiben können sogenannte Schreibblockaden auftreten. Sie sind etwas Normales und sollen früh und aktiv angegangen werden. Die Ratgeberliteratur zum wissenschaftlichen Schreiben aus der Departementsbibliothek hält dazu einige Hilfestellungen bereit. Helfen kann zum Beispiel, mitten im Text mit dem Schreiben zu beginnen und nicht beim Anfang, zuerst einfach „draufloszuschreiben“ ohne auf Schreib- oder Denkfehler zu achten, sowie den Ort zu wechseln, an dem man schreibt.

Auch der Erfahrungsaustausch mit Mitstudierenden kann hilfreich sein. Hat ein Text ein bestimmtes Reifestadium erlangt, sollte er wann immer möglich von jemand anderem gegengelesen werden. Wer so nah an einem Text ist wie die Verfasserin bzw. der Verfasser, übersieht Ungereimtheiten aller Art – seien es Tippfehler und sprachliche Unebenheiten oder inhaltliche und argumentative Lücken und Widersprüche. Die Neugier und der kritische Blick der andern kann so produktiv genutzt werden.

Beim Übergang von der Analyse- zum Schreibphase wird eine Gliederung der Arbeit entworfen, die einerseits auf einer konzeptuellen Vorarbeit und andererseits auf einer Systematisierung der Erkenntnisse basiert, die in der Literatur- und Quellenanalyse gewonnen wurden. Die Gliederung einer schriftlichen Arbeit ist ein wichtiges Arbeitsinstrument für deren Verfasserin bzw. Verfasser, da sie zunächst konzeptuelle Entscheidungen verlangt und anschliessend die schriftliche Ausführung steuert. Zudem ist sie eine wichtige Orientierungshilfe für die Leserinnen und Leser und muss folglich aufzeigen, wie die Argumentation der schriftlichen Arbeit verläuft.

Eine sinnvolle Gliederung kann auf folgende Weise entstehen: Man unterteilt die konzipierten oder bereits geschriebenen Textpassagen zuerst in klare thematische Einheiten und ordnet sie dann in einer möglichst logischen Reihenfolge an. Dabei zeigt sich, ob bereits eine fortlaufende Argumentation besteht oder ob Textpassagen abgeändert, weggelassen oder ergänzt werden müssen.

Einleitung

Die Einleitung ist eine Schlüsselstelle von schriftlichen Arbeiten. Sie formuliert die Erkenntnisinteressen und begründet die wichtigsten Eckpunkte der Untersuchung. Die Einleitung grenzt den Gegenstand der schriftlichen Arbeit ein und erläutert die Problemstellung. Um die Relevanz eines Themas zu reflektieren, wird es in einen grösseren Zusammenhang gestellt. Des Weiteren wird die Forschungsfrage formuliert und die darin verwendeten Begriffe geklärt. Die methodische Vorgehensweise wird mit Blick auf die verwendete Sekundärliteratur und das Quellenmaterial erläutert. Mit dem Forschungsstand werden die gängigen Interpretationen und Theorien diskutiert. Abschliessend skizziert und begründet die Einleitung den Aufbau der Arbeit.

Hauptteil

Der Hauptteil bildet die Quellen- und Literaturanalyse ab, die für die fragliche Untersuchung getätigt wurden. Seine Gliederung richtet sich sowohl nach linearen Aspekten (Abfolge der Argumentation, Chronologie auf Gegenstandsebene) als auch nach der inhaltlichen Unterteilung des Gegenstands, die bei der Analyse vorgenommen wurde. Die Untersuchung soll nicht 1:1 abgebildet, sondern in eine möglichst aussagekräftige Form gebracht werden. Informationen aus der Sekundärliteratur und den Quellen müssen entsprechend ihrer Relevanz ausgewählt werden, das heisst nur dann verwendet oder zitiert werden, wenn sie für die eigene Argumentation unabdingbar sind. In der Regel lässt sich die Behandlung von Quellen und Sekundärliteratur in der schriftlichen Darstellung nicht trennen. Die Quellenanalyse ist deshalb in den Argumentationsgang einzubinden, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden. In spezifischen Fällen kann es aber auch sinnvoll sein, eine Quelle beispielhaft in einem gesonderten Abschnitt zu analysieren.

Schlussteil

Der Schlussteil einer Arbeit fasst die Ergebnisse kurz zusammen. Er beinhaltet Antworten auf die Fragen, die in der Einleitung aufgeworfen wurden. Das methodische Vorgehen kann hier kritisch beleuchtet werden. Zudem können weiterführende Fragen angeführt werden, die im Verlauf der Arbeit entstanden sind.