Das biografische Schreiben über den Schweizer Kommunisten Fritz Platten ist ein Produkt der ideologischen Zweiteilung der Welt im 20. Jahrhundert. Als ‘Held der Revolution’ oder als Inkarnation des ‘Roten Schreckens’ polarisierte Platten zu Lebzeiten wie auch nach seinem Tod. Platten, der 1917 die berühmte Zugreise Lenins nach Petrograd organisiert hatte, schliesslich den stalinistischen Säuberungen zum Opfer fiel und 1942 im Lager verstarb, faszinierte Menschen im Osten wie im Westen und inspirierte eine Reihe an biografischen Erzählungen, in denen die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit häufig verschwimmen. Ausgangspunkt meines Forschungsprojektes ist die Frage, welche Funktion das biografische Erzählen über Fritz Platten für die Erzählenden selbst einnahm. Dabei interessiert mich, welche Narrative entwickelt werden, wie sie sich gegenseitig beeinflussen bzw. voneinander abgrenzen und in welche diskursiven Kontexte die Erzählungen eingeordnet werden müssen. Von den Akteuren, die diese Narrative (weiter)entwickelt, gesteuert und genutzt haben, möchte ich zwei in den Fokus nehmen: Fritz Nicolaus Platten, der Sohn von Fritz Platten, sowie die Historikerin Elena Druzhinina, die als junges Mädchen Schülerin von Fritz Platten war. Meine These ist, dass Fritz Nicolaus Platten, wie auch Elena Druzhinina in der Beschäftigung mit der Biografie Fritz Plattens ihre persönliche Verwicklung und Betroffenheit mit dem stalinistischen System zu bewältigen suchten.
Im Zentrum meines Forschungsprojektes über das biografische Schreiben zu Fritz Platten steht für mich deshalb die Frage, warum für die Akteure relevant ist, wie über Fritz Platten erzählt wird und welche Narrative sie dabei entwickeln. Mich interessiert, wie sich diese Narrative konkret unterscheiden, wo sie sich gleichen, wann sie sich gegenseitig beeinflusst haben und inwiefern sie von persönlichen, aber auch politischen Umständen geprägt waren. Den eigenen Umgang mit dem Stalinismus begreife ich dabei als Schlüsselmoment für das biografische Erzählen über Fritz Platten. Druzhinina blieb gläubige Kommunistin trotz des Wissens um den Stalinismus, während sich Fritz N. Platten vom Kommunismus abwandte und schliesslich auch von seinem Vater. Im sowjetischen Kontext, so die These, fungierte die Heroisierung und Mythisierung Plattens als Baustein des wiedererwachenden Leninkultes nach 1956. Für den Schweizer Kontext verstehe ich das Erzählen über Platten als ein Anprangern der stalinistischen Vergangenheit der Schweizer kommunistischen Bewegungen, wobei im Kern die Frage nach der Schuld und Komplizenschaft liegt und nur innerhalb eines antikommunistischen Diskurses Sinn ergibt. Die Parallelführung des Schweizer und sowjetischen Erinnerungsstrangs erlaubt mir das Spannungsfeld abzustecken in welchem sich das Erzählen über Platten abspielt, um so den ‘Mythos Platten’ zu entflechten.
Bildnachweis: Ausschnitt aus UB Basel, Nachlass 340 (Fritz Nicolaus Platten), Inv. Nr. 127