Das Projekt fragt nach den langen Linien der Demokratievorstellungen in Deutschland am Beispiel der Bundeszentrale für politische Bildung (bis 1963 Bundeszentrale für Heimatdienst). Als nachgeordnete Behörde des Bundesinnenministeriums erarbeitete sie Inhalte, um das Verständnis für Politik, Bewusstsein für Demokratie und „Bereitschaft zur politischen Mitarbeit“ bei den Bürger:innen zu fördern. Diese Aufgabe machte die Bundeszentrale zu einem Kristallisationspunkt für die deutsche Selbstbeschreibung – auch und vor allem als Demokratie.
Die Bedeutung, die die Zeitgenossen politischer Bildung im Allgemeinen und der Bundeszentrale im Besonderen für eine funktionierende Demokratie beimaßen, zeigte sich immer dann, wenn es in Deutschland scheinbar an Demokratie fehlte. Sank etwa die Wahlbeteiligung oder erstarkten extremistische Strömungen, wurden die Rufe nach mehr, nach anderer, nach besserer politischer Bildung laut. Zwar sahen sich die Praktiker:innen der politischen Bildung in der Bundeszentrale nur ungern als „Feuerwehr“ für tagesaktuelles Geschehen und betonten eher die Bedeutung ihrer langfristigen Aufgaben. Sie teilten aber die grundlegende Vorstellung, die hinter diesen Rufen lag: Demokratie sei grundsätzlich erlernbar. Ein Scheitern konnte auf mangelndes Wissen der Bürger:innen zurückgeführt werden, dem zu es begegnen galt. Die Antwort darauf, was genau (also welche Inhalte die BpB für wichtig hielt) wer (also welche Zielgruppe sie damit ansprach) zu lernen hatte, variierte allerdings stark.
Das Projekt will zunächst durch einen praxeologischen Zugriff Strukturen und Entscheidungsfindungsprozesse der Institution beleuchtet. Dafür sind besonders verschiedene Phasen politischer Einflussnahmen durch das Innenministerium interessant, denen eine starke Eigenständigkeit der Behörde und ihrer Mitarbeiter:innen entgegenstand. In einem zweiten Schritt untersucht die Arbeit die Inhalte der Eigenpublikationen und Schriftenreihen der BpB und nimmt anhand einzelner Fallbeispiele in den Blick, welche Demokratievorstellungen mit welchen Narrativen und Praktiken vermittelt wurden.