13. - 15. September 2017, Kaiseraugst, Landgut Castelen

Internationale Konferenz: Russia 1917 and the Dissolution of the Old Order in Europe. Biographical Itineraries, Individual Experiences, Autobiographical Reflections.  

Veranstalter: Korine Amacher, Université de Genève, Unité de Russe / Benjamin Schenk, Universität Basel, Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte

Den ansprechenden Flyer finden Sie hier. 

TagungsberichtDr. Alexis Hofmeister, Professur für Osteuropäische Geschichte, Departement Geschichte, Universität Basel. 

Das Datum 1917 ist bereits aus dem Erfahrungshorizont der Zeitgenossen verschwunden. Und doch tritt die Bedeutung der Russischen Revolution auch ein Vierteljahrhundert nach 1989 / 1991 deutlich hervor. Die doppelte Revolution, die Russland 1917 erschütterte, bildete den Auftakt des 20. Jahrhunderts.

In Russland selbst ist angesichts der zögerlichen Zurückhaltung, mit der die offiziöse Geschichtspolitik die Sprengkraft der Erzählung vom Umsturz neutralisiert, gerade der widersprüchliche Charakter von bürgerlich-demokratischer und bolschewikischer Revolution deutlich geworden.[1] Die biographische Perspektive auf die Revolutionen von 1917 erfreut sich unter Historikerinnen wie Historikern wachsender Beliebtheit.[2] BENJAMIN SCHENK (Basel) nannte in seinen einleitenden Bemerkungen zu der Schweizer Tagung „Russia 1917 and the Dissolution of the Old Order in Europe. Biographical Itineraries, Individual Experiences, Autobiographical Reflections“ fünf übergreifende Fragen: 1) Wie wurden einzelne Lebenswege von den Umwälzungen des Jahres 1917 geprägt? 2) Welchen Einfluss konnten bestimmte historische Akteure auf den Verlauf der revolutionären Ereignisse gewinnen? 3) Wie haben Einzelne, ob als Sieger oder Verlierer, ob als Handelnde oder Erleidende, den historischen Umbruch erlebt? 4) Wie haben sie ihre jeweiligen Erfahrungen verarbeitet und reflektiert; wie und woran erinnerten sie sich? 5) In welcher Weise wurde an die handelnden Akteure, erleidenden Opfer oder unbeteiligten Zuschauer, erinnert? Welche Erzählmuster und -figuren beeinflussten die jeweiligen biographischen Darstellungen?

Mittels dieser erkenntnisleitenden Fragen sei ein Beitrag zur Neukonzeptionalisierung der historiographischen Sicht auf die Ereignisse von 1917 möglich, und zwar auf folgenden Feldern: Erstens helfe die stärkere Berücksichtigung der noch während des Jahres 1917 an Umfang und sozialer Reichweite dramatisch zunehmenden öffentlichen wie privaten Selbstdeutungen, den Charakter der revolutionären Ereignisse zu klären. Sie lenke den Blick auf die Handlungsoptionen der Zeitgenossen, helfe aber gleichzeitig dabei, spätere Bewertungen dieser Spielräume zu historisieren. Zweitens stehe die revolutionäre Erschütterung in einem Widerspruch zur Kontinuität der Lebensverläufe sowie der biographischen Erzählungen der Überlebenden. Indem nun dieser Spannung die verdiente Aufmerksamkeit zu Teil würde, gelänge ein wichtiger Schritt hin zur Rekonstruktion vergangener Sinnhorizonte. Drittens ließe sich die lange beklagte Einseitigkeit der Perspektive auf die Korridore der Macht bzw. Gegenmacht erstaunlich erweitern, indem Akteure aus der geographischen und sozialen Peripherie des Revolutionsgeschehens zu Wort kämen. Das dominierende historiographische Narrativ hätte die sich wandelnde Bedeutung des Raumes für die Haltung zur Revolution zu sehr vernachlässigt. Biographien, die innere wie äußere Grenzen Russlands überschritten, verdeutlichten angesichts der während der Revolution einsetzenden Migration alternative Lebenswege. Viertens würde die Betrachtung bislang unterprivilegierter Erfahrungen die Frage beantworten, warum bestimmte biographische Erzählungen im Pantheon der Revolution versammelt seien, während andere ausgeschlossen oder vergessen wurden. Schließlich wäre es fruchtbar, die autobiographischen Dokumente zur Revolution gegen den Strich zu bürsten, um genauer zu verstehen, wie bestimmte Deutungen der Revolution entstanden und warum sie funktionalisiert wurden.

BORIS KOLONITSKY (Sankt Petersburg) demonstrierte in seiner Key-Note sogleich den Mehrwert einer sozial- wie kulturhistorisch informierten, biographischen Perspektive auf die Russische Revolution. Er wies auf die Funktionalisierung der Biographie von Alexander F. Kerenski (1881–1970) hin, die Züge eines politischen Kults getragen habe. Kolonitsky zeigte, wie prägend Versatzstücke des politischen Führer-Kults bis in die Sowjetzeit blieben – und zwar sowohl bei den Bolschewiki als auch bei ihren exilierten Gegnern. Kerenskis öffentliches Auftreten und seine meisterhafte Inszenierung und Selbstinszenierung mussten der Tatsache Rechnung tragen, dass es der russländischen Öffentlichkeit an Begriffen und Bildern für die revolutionäre Politik und ihre Gestalter fehlte. Die politische Kultur des _ancien regime_, die auch anderswo nachwirkte, zeigte sich hier am unverhülltesten. Starke und scheinbar solitär handelnde Persönlichkeiten übten vielleicht auch gerade wegen der schwachen Persönlichkeit des letzten Zaren Nikolaus II. (1868–1918) eine gewisse Faszination aus. Kolonitsky zeigte am Beispiel politischer Weggefährten Kerenskis, wie diese auf die Bedürfnisse der revolutionären Situation eingingen. Als Reaktion auf die mannigfachen und teilweise existenziellen Herausforderungen des Einzelnen in revolutionären Zeiten hatte bereits Kerenski das Bedürfnis ausgemacht, sich hinter einem charismatischen „Häuptling“ zu sammeln. Ob Pawel N. Miljukow (1859–1943) oder Wladimir I. Lenin (1870–1924), ob Lawr G. Kornilow (1870–1918) oder Michail W. Rodsianko (1859–1924) – die Öffentlichkeit wollte in ihnen stets den gütigen Vater, weisen Lehrer, klugen Führer oder unbeirrbaren Lotsen sehen. Kerenski wurde laut Kolonitsky als Figur für das Management der Emotionen der Massen eingesetzt und war dabei offenbar erfolgreich. Kerenski, der sich gern in der Pose des Napoleon darstellen ließ, mag damit noch Stalin beeinflusst haben. Das russische Wort für „Führer“, woschd, wurde übrigens lange vor Stalin von den russischen Revolutionären benutzt.

KORINE AMACHER (Genf) eröffnete das erste von zwei Panels zu Biographien in der Revolution mit Betrachtungen zu Vladimir Socoline (1896–1984), wobei sie auf Socolines Nachlass zurückgriff und seine 1949 publizierten Erinnerungen heranzog.[3] Bevor sich der in Genf gebürtige Sohn russischer Revolutionäre den linken Sozialrevolutionären anschloss, hatte er in der zarischen Armee gedient. Schließlich wurde er zum Diplomaten und Sekretär Lev Kamenevs (1883–1936). In seinen Erinnerungen erklärte er den Übertritt auf die Seite der Bolschewiki als „Konversion“.

BENJAMIN SCHENK analysierte anhand von zwei kontrastierend betrachteten Erinnerungstexten die Reaktionen von Vertreterinnen der alten Eliten auf die Revolution.[4] Sie erzählten ihr Leben in der marxistisch anmutenden Logik des Untergangs bestimmter sozialer Klassen und sahen weibliche Körper als Opfer der Revolution.

HENNING LAUTENSCHLÄGER (Basel) stellte ein fotografisches Oeuvre als nostalgisierendes Medium vor. Dabei benutzte er neben der Bild-Überlieferung auch autobiographische Reflexionen des Aristokraten, Chemikers und Geschäftsmannes Sergei M. Prokudin-Gorski (1863–1944).

PETER HOLQUIST (Philadelphia) kritisierte in seinem Kommentar, dass Korine Amacher nicht auf die jüdische Seite der Identität Vladimir Socolines eingegangen sei. Im Übrigen müsse man Socolines Text wie auch andere Autobiographien entgegen seinen Intentionen lesen und sich dabei mit ihren Auslassungen beschäftigen. Entscheidende Referenzpunkte seien Entstehungs- und Veröffentlichungszusammenhang autobiographischer Texte. Holquist erwähnte den Aufruf Alexander Solschenizyns, die Erinnerungen des russischen Exils nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Ebenso sprach er die Opferkonkurrenz zwischen den Überlebenden des Holocaust und der weißen Emigration an. Panel 2 (_Revolution and Civil War_) wurde luzide von

LJUDMILA NOVIKOVA (Moskau) eröffnet, die darauf hinwies, dass die Erinnerung an die Revolution unter den Bedingungen des Bürgerkriegs vielerorts patriotisch grundiert gewesen sei, was „weiße“ und „rote“ Erinnerungskultur über alle Gräben hinweg verbinde. Grund dafür sei die Propaganda des Ersten Weltkriegs sowie die Beteiligung ausländischer Truppen an militärischen Operationen auf russländischem Territorium. Novikova zeigte mit Hilfe der lokalen Erinnerungskultur in Murmansk, dass der Verweis auf die Rolle der „Okkupanten“ dazu diente, die örtliche Bevölkerung von der Verantwortung für die Niederlage zu entlasten.

ALEXANDER REZNIK (Sankt Petersburg) ging der Frage nach, ob man auch bei der öffentlichen Darstellung und medialen Inszenierung Leo Trotzkis als _spiritus rector_ des militärischen Sieges der Bolschewiki im Bürgerkrieg von einem Fall politischen Kults ausgehen könne. Dabei stütze er sich allerdings nur auf ein einzelnes Dokument, das Trotzki 1920 zum „Tribun der Revolution“ ausrief und als Lenin ebenbürtig oder sogar überlegen darstellte. In seinem Kommentar kritisierte

DIETRICH BEYRAU (Universität Tübingen) diese Deutung. Der Lenin-Kult sei die Ausnahme von der Regel gewesen. Politische Führer seien stets als Verkörperung des Massenwillens inszeniert worden. Nach dem Tod Lenins (1924) habe es selbst innerhalb der Partei Stimmen gegeben, die Trotzki wegen seiner jüdischen Herkunft von der Führung ausschließen wollten. Allenfalls könne bei Trotzki von einem gescheiterten politischen Kult die Rede sein. In der Diskussion wurde jedoch darauf hingewiesen, dass gerade auch einem gescheiterten politischen Kult nachgegangen werden müsse. Panel 3 fasste zwei Beiträge zusammen, die die Beziehung zwischen Revolution und Schriftlichkeit auf sehr unterschiedliche Weise thematisierten.

MARINA SOROKINA (Moskau) präsentierte die widersprüchliche Gestalt des Literaturwissenschaftlers Roman Jakobson (1896–1982), der als strukturalistischer Linguist nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Harvard lehrte und zum Star der Semiotik aufstieg. Jakobson kam 1920 nach Prag, wo er 1930 promovierte; 1939 gelang ihm die Flucht. Sorokina interpretierte Selbstaussagen Jakobsons dahingehend, dass er eine gleichermaßen russische wie europäische Identität gesucht habe.[5]

ADELE LINDENMEYR (Villanova, Pennsylvania) ließ zwei Frauen zu Wort kommen, die als Mitglieder der Partei der Konstitutionellen Demokratie gegenüber der Oktoberrevolution eine eindeutige Haltung einnahmen: Sofia V. Panina (1871–1956) und Ariadna Tyrkova-Williams (1869–1962).[6] Obwohl beide Frauen auf der Seite der historischen Verlierer standen, inszenierten sie sich als Gestalterinnen und nicht als Opfer der historischen Umstände.

THOMAS GROB (Basel) fragte in seinem Kommentar nach Anzeichen von Klassenbewusstsein in beiden Texten. Es komme darauf an, die Gründe für Ausblendungen und bewusstes Verschweigen in autobiographischen Texten festzustellen. Roman Jakobsons autobiographische Einlassungen hätten sicher nicht vom restriktiven Klima der McCarthy-Ära profitiert. Im Panel 4 stand die Revolution in der Ukraine im Mittelpunkt.

ÉRIC AUNOBLE (Genf) lenkte den Blick auf die etwa 1300 polnischen Revolutionäre, die während der Revolution insbesondere auch in der Ukraine eine Rolle spielten. Exemplarisch seien Stanislaw Redens (1892–1941) – der Schwager Stalins, Felix Kon (1864–1941) sowie Ignacy Rylski (1893–1937) genannt.

ANDRII PORTNOV (Frankfurt/Oder) wertete Erinnerungstexte mit Bezug zum revolutionären Geschehen in Ekaterinoslaw (später Dnipropetrowsk, heute Dnipro) aus. Portnov schlug vor, nach Überlebensstrategien zu fragen. Der revolutionäre Wandel lasse sich in der vergangenen Realität wie in der späteren Narration deutlich als _point of no return_ ausmachen. Im Januar 1918 seien die Gegner der Straßenkämpfe gemeinsam bestattet worden. Dies sei bereits wenig später undenkbar geworden.

FABIAN BAUMANN (Basel) konnte sowohl die _agency_ der Akteure, die eigenständige Positionierung von weiblichen Akteurinnen sowie den Umgang mit russischen Nationalismus in der Ukraine am Beispiel der prominenten Kiewer Familie Šul’gin analysieren.[7]

JENS HERLTH (Fribourg) warf in seinem Kommentar die Frage auf, inwiefern die Revolution in Ekaterinoslaw anhand von autobiographischen Texten nachzuvollziehen sei. Auch wies er auf die Kiewer Tageszeitung _Kievljanin_ („Der Kiewer“) als Quelle hin.[8] Im Panel 5 (_Revolution and Agency_) kam erneut ein sehr breites Spektrum von Akteuren und Quellen zu Wort.

NIKITA PETROW (Moskau) lieferte Beiträge zu einer Kollektivbiographie der stalinistischen Henker. Doch geriet die Suche nach den Motiven ihrer „Tätigkeit“ ohne den Rückgriff auf entsprechende Selbstäußerungen zur Spekulation.

PIERRE BOUTONNET (Lille) behandelte den autobiographischen Text von Volin (Vsevolod M. Eichenbaum, 1882–1945) als politisches Dokument.[9] Erklärtes Ziel der in den 1930er Jahren erschienenen Erinnerungen Volins war es, die Deutungsmacht des Anarchismus auf dem Gebiet der Revolution zurückzugewinnen.

NADA BOŠKOVSKA (Zürich) merkte in ihrem Kommentar an, dass die bereits erforschte soziale Herkunft der Geheimdienstmitarbeiter Hinweise auf eventuelle biographische Motive liefere. Auch der Bezug zum Kriegserlebnis der meist jungen Tschekisten sei naheliegend. Im Gegensatz zu Volins politischer Botschaft ließe sich das Mordgeschehen aber nicht als Teil der revolutionären Praxis verstehen, da insbesondere die Morde nicht öffentlich vollzogen wurden. Die Diskussion betonte, dass Loyalität seltener ein Impuls für autobiographische Texte sei als Dissidenz. Eine Bildanalyse von „Einweihungsfeier (Arbeiter Petrograd)“, einem Werk von Kusma Petrow-Wodkin (1878–1939) aus dem Jahr 1937, stand im Mittelpunkt der Betrachtungen von

ANNE O’DONNELL (New York). Enteignung, Konfiszierung und Wiederaneignung von Gegenständen seien konstitutiv für den Wandel der Besitzverhältnisse während der Revolution gewesen. Diese konfliktreichen Prozesse ereigneten sich in verschiedenen Städten zu verschiedenen Zeitpunkten. Sie schlugen sich quellenmäßig in Petitionen an die Nachbarschaftskomitees nieder.

SOPHIE CŒURÉ (Paris) verglich die biographischen Erfahrungen zweier Frauen, die durch die Russische Revolution an Handlungsmacht gewannen: Alexandra Kollontai (1872–1952) und Suzanne Depollier-Girault (1882–1973). Die in Odessa geborene Suzanne Girault stand lange Jahre an der Spitze der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF). Neben Überwachungsakten sind auch Selbstzeugnisse überliefert. Die Biographien beider Frauen, verdeutlichen die widersprüchliche Dynamik der revolutionären Ereignisse. Die Revolution eröffnete beiden Frauen, die sich selbst nicht als Feministinnen sahen, für kurze Zeit Einflussmöglichkeiten.

GLEB ALBERT (Zürich) bezog sich in seinem Kommentar auf den von Heiko Haumann entwickelten Begriff der Lebenswelt. Die Revolution habe die Beziehung zwischen den Dingen der materiellen Kultur, Personen sowie Gruppen neu geordnet. Dies ließe sich mit Hilfe der Akteur-Netzwerk-Theorie verstehen. Sowohl Kollontai als auch Giraud seien wohl eher Vertreterinnen der _identity politics_ als der _class politics_ gewesen. Erklärungsbedürftig sei, warum beide im Gegensatz zu Margarete Buber-Neumann (1901–1989) oder Ruth Fischer (1895–1961) so lange treu zur Parteilinie standen.

Im letzten Panel stellte IGOR NARSKIJ (Tscheljabinsk und München) Tagebuchnotate als Überlebensstrategie im Bürgerkrieg vor. Sein Beispiel war Konstantin N. Tepluchow (1870–1942) aus Tscheljabinsk, der sich in seinen 1939 niedergeschriebenen Erinnerungen als unbeteiligter Provinzler inszenierte.

ANTHONY HEYWOOD (Aberdeen) befasste sich dagegen mit der Biographie und den Erinnerungen Juri V. Lomonossovs (1876–1952), der als rechte Hand des Verkehrsministers der Provisorischen Regierung in Nordamerika von der Oktoberrevolution überrascht wurde. Er stellte sich auf die Seite der Bolschewiki, kehrte aber 1927 von einer Deutschlandreise nicht in die Sowjetunion zurück. 1934 verfasste er im nordamerikanischen Exil seine Memoiren. [12] Heywood betonte, dass es ihm um die Beispielhaftigkeit eines durch die Revolution mehrfach stark beeinflussten Lebenswegs gegangen sei. Julia RICHERS (Universität Bern) nahm diese Anregung auf und fragte in ihrem Kommentar nach Gründen für die Tagebuch- bzw. Autobiographieproduktion des Jahres 1917. In der Schlussdiskussion wurde betont, dass die Revolution wie selten eine Epoche der russischen und russländischen Geschichte die schriftliche Reflexion über das eigene Leben befördert habe. Die Texte nach Opfer- und Täterperspektive zu scheiden, führe nicht weit. Dagegen müsse dem Sinn, den „Verlierer“ wie „Sieger der Geschichte“ den Ereignissen von 1917 gaben, nachgespürt werden. Autobiographische Sinnkonstruktionen würden helfen, die historischen Erfahrungen der Zäsur von 1917 besser zu verstehen.

 

Anmerkungen

[1] Sheila Fitzpatrick, Celebrating (Or Not) The Russian Revolution, in: Journal of Contemporary History 52 (2017), S. 816–831; Ekaterina Makhotina, Erinnerung an die Russische Revolution im heutigen Russland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 34–36 (2017), 27–32. Zitate aus den Tagebüchern des Jahres 1917 findet man unter: https://project1917.ru/ (letzter Besuch: 7. Oktober 2017). Ein Internetprojekt fragt: „Wer wärst Du 1917 gewesen?“. [http://arzamas.academy/materials/1269 (letzter Besuch: 9. November 2017)].

[2] So etwa auch in Moskau: Revolutionary Biographies in the 19th and 20th Century. Imperial – Inter/national – Decolonial, 3. Jahreskonferenz der Max-Weber-Stiftung, Deutsches Historisches Moskau, 21.–23. September 2017 [www.dhi-moskau.org; https://revbio.hypotheses.org (letzter Besuch: 9. November 2017)] In Basel werden biographische Studien im Rahmen der vergleichenden Imperialitätsgeschichte betrieben. [www.imperial-subjects.de (letzter Besuch: 9. November 2017)]

[3] Vladimir Socoline, Ciel et terre soviétiques, Neuchâtel 1949.

[4] Irina Skariatina, A World Can End, New York 1931; Irina Skariatina, First to Go Back: An Aristocrat in Soviet Russia, London 1934; Katherina Sayn-Wittgenstein, Dnevnik 1914–1918, Paris 1986; Katherina Sayn-Wittgenstein, Als unsere Welt unterging. Tagebuch der Prinzessin Katherina Sayn-Wittgenstein aus den Tagen der Russischen Revolution, Berlin 1984.

[5] Roman Jakobson, Meine futuristischen Jahre, hg. v. Bengt Jangfeldt, Berlin 1999.

[6] Moi gorod (Memoirs), in: Sofia Sofiia Vladimirovna Panina Papers, ca. 1900-1956 / Bakhmeteff Archive [https://clio.columbia.edu/archives/4077943]; Ariadna Tyrkova-Williams, From Liberty to Brest-Litovsk. The First Year of the Russian Revolution, London 1919. [https://archive.org/details/fromlibertytobre00willuoft]

[7] Der Nachlass Ekaterina G. Shulginas (1869–1934), der ersten Frau Vasili Shulgins, befindet sich im Staatlichen Archiv der Russischen Föderation (GARF), F. P5974; Vasili V. Shulgin, Memoirs of a Member of the Russian Duma, 1906–1917, New York 1984.

[8] Die Jahrgänge 1898 bis 1919 liegen bereits digitalisiert vor: http://irbis-nbuv.gov.ua/cgi-bin/irbis_ir/cgiirbis_64.exe?C21COM=F&I21DBN=NAV&P21DBN=ELIB

[9] Voline, La révolution inconnue 1917–1921. Documentation inédite sur la révolution, Paris 1947.

[10] Bereits vorher war erschienen: Memoirs of the Russian Revolution, New York 1919. Tagebücher sowie Erinnerungen Lomonossovs befinden sich heute im Leeds Russian Archive, Brotherton Library, Universität Leeds.

 

Konferenzübersicht

 

13. September 2017

Empfang und Einführung (Korine Amacher, Genf und Benjamin Schenk, Basel)

Boris Kolonitsky (Sankt Petersburg): Anti-Monarchic Revolution and the Cult of the Popular Leader. The Case of Alexander Kerenski (Keynote Lecture)

 

Panel 1: Biographies Shaped by the Revolution I (Chair: Jens Herlth, Fribourg)

Korine Amacher (Genf): Experience of the Revolution – The Transnational Trajectory of Vladimir Socoline (1896-1984)

Benjamin Schenk (Basel): ’We are experiencing new Times of Trouble…’ – Members of the Old Elite Try to Make Sense of the Revolution

Henning Lautenschläger (Basel): Imperial Nostalgia. Sergei Prokudin-Gorski in Paris after the Revolution

Kommentar: Peter Holquist (Philadelphia)

 

14. September 2017

Panel 2: Revolution and Civil War (Chair: Thomas Grob, Basel)

Ljudmila Novikova (Moskau): Making Sense of the Russian Revolution and Civil War: Patriotism and Memory of the Civil War in the 1920s

Alexander Reznik (Sankt Petersburg): Constructing the Political Cult of Leon Trotsky During the Russian Revolution and the Civil War

Kommentar: Dietrich Beyrau (Tübingen)

 

Panel 3: Revolution and Scripture

Marina Sorokina (Moskau): Roman Yakobson as a Mirror of the Russian Revolution

Adele Lindenmeyr (Villanova): Autobiographical Reflections on 1917: Sofia Panina and Ariadna Tyrkova-Williams

Kommentar: Thomas Grob (Basel)

 

Panel 4: Revolution in the Ukraine (Chair: Julia Richers, Bern)

Éric Aunoble (Genf): Polish Leftists in the Russian Revolution in Ukraine. From Militancy to Memory

Andrii Portnov (Frankfurt/Oder): The Revolutions on the Periphery. Ekaterinoslav in 1917–1919

Fabian Baumann (Basel): Empire, Nation, Family. The Shul’gins and the Russian-Ukrainian Relationship

Kommentar: Jens Herlth (Fribourg)

 

Panel 5: Revolution and Agency (Chair: Sandrine Mayoraz, Basel)

Nikita Petrow (Moskau): Group Picture of Soviet Assassins: The Trajectory of Stalinist Executioners from the Revolution to the Great Terror

Pierre Boutonnet (Lille): Vsevolod Mihajlovič Eichenbaum alias Volin, Two Periodes of Emigration in France, Writing for Action? The Limits of the Rights in Political Exile (1915–1940)

Kommentar: Nada Boškovska (Zürich)

 

15. September 2017

Panel 6: Biographies Shaped by the Revolution II (Chair: Benjamin Schenk, Basel)

Anne O’Donnell (New York): Life Stories and Administrative Practice in Revolutionary Russia

Sophie Cœuré (Paris): Two Women Gaining Power Through the October Revolution: Alexandra Kollontai and Suzanne Girault

Kommentar: Gleb Albert (Zürich)

 

Panel 7: Temporal and Spatial Peripheries (Chair: Korine Amacher, Genf)

Igor Narskij (Tscheljabinsk und München): A Man not Impressed by the Revolution. Konstantin Teploukhov Experiencing the Revolution at the Empire’s Periphery

Anthony Heywood (Aberdeen): Facing the Rubicon: Circumstance, Choice and Consequence in the Experience of the Russian Revolution

Kommentar: Julia Richers (Bern)