/ Forschung
Das Schweigen beenden - Beiträge zur Aufarbeitung sexuellen Kindesbrauchs
21 Autorinnen und Autoren, u.a. Martin Lengwiler, weisen den Weg für die Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in den kommenden Jahren.
Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs veröffentlicht heute unter dem Titel „Das Schweigen beenden“ einen Band, in dem 21 Autorinnen und Autoren den Weg für die Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in den kommenden Jahren weisen. Ihre Texte bilden die Vielfalt der Themen und Herausforderungen ab, mit der sich die Aufarbeitung in Deutschland auseinandersetzen muss. So werden verschiedene Tatkontexte beleuchtet, etwa die Familie, der Sport, die Kirchen, Heime und Schule. Aber auch grundlegende Aspekte der Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs werden in den Blick genommen. Dazu gehören die Unabhängigkeit von Aufarbeitung, die Bedeutung des Sprechens und des Zuhörens, Gerechtigkeit und Anerkennung oder Beteiligung von Betroffenen in Aufarbeitungsprozessen. Ebenso einbezogen werden die internationalen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs oder auch die Aufarbeitung im Kontext DDR.
Die Autorinnen und Autoren verweisen mit ihren Beiträgen darauf, dass die Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs sowohl ein Recht inzwischen erwachsener Betroffener einlöst als auch die soziale Position von Kindern und Jugendlichen heute stärkt. „Wir wollen aus verschiedenen Perspektiven den dringend notwendigen öffentlichen Diskurs über die Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs vorantreiben. Die Texte sollen dazu beitragen, dass endlich erkannt wird, dass die Aufarbeitung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die heute erwachsenen Betroffenen zu ihrem Recht verhilft, das erfahrene Unrecht anzuerkennen und die wichtiges Wissen darüber liefert, wie wir Kinder und Jugendliche besser schützen können. Wer Kinder und Jugendliche heute respektvoll und gewaltfrei aufwachsen sehen will, der kommt um den Blick in die Vergangenheit und das Aufarbeiten gewaltvoller Ereignisse nicht herum“, so Prof. Dr. Sabine Andresen, Mitherausgeberin.
Eine Betroffene begründete es so, warum sie ihr Schweigen beendet und sich der Kommission anvertraut hat: „Die Gesellschaft zu informieren, das ist ein wichtiger Punkt. Wenn Menschen anfangen sich wirklich damit auseinanderzusetzen und Verantwortung zu übernehmen, das wäre ein Stück Aufarbeitung.“
Die Beiträge des Bandes sind erstmals 2021 im Ressort „Die Gegenwart“ in der FAZ und FAZ.NET erschienen. Ergänzt werden sie um einen bisher unveröffentlichten Text von Dr. Daniel Deckers, Verantwortlicher Redakteur der FAZ und Mitherausgeber des Bandes, über die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche. „Leider braucht es auch heute noch massiven Druck der medial vermittelten Öffentlichkeit, damit sich Organisationen wie die Kirchen oder die Sportverbände ihrer Verantwortung stellen und Politiker nicht immer wieder der naheliegenden Versuchung erliegen wegzuschauen, wenn den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft Gewalt angetan wird“, so der Theologe.
Download: „Das Schweigen beenden. Beiträge zur Aufarbeitung sexuellen Kindemissbrauchs“
Beitrag von Prof. Dr. Martin Lengwiler (S. 46):
ANERKENNUNG DURCH GEIST UND GELD - Die Geschichte von Missbräuchen in der Schweizer Heimerziehung gleicht in vieler Hinsicht jener der Bundesrepublik. Für die Aufarbeitung hat das Land aber einen anderen Weg eingeschlagen. Und damit lehrreiche Erfahrungen gemacht.