Die Internierung von Flüchtlingen in Lagern und Heimen war während des Zweiten Weltkriegs ein zentraler Bestandteil der schweizerischen Flüchtlingspolitik. In der bisherigen Forschung wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass für die Ausgestaltung des Lageralltags und damit für das Erleben der betroffenen Menschen die Person des Leiters oder der Leiterin ausschlaggebend war. Trotz dieser postulierten Wichtigkeit bekam das Leitungspersonal bislang jedoch keine weitere Aufmerksamkeit vonseiten der Forschung. Mit dem Dissertationsprojekt Das Leitungspersonal der zivil geführten Lager und Heime für Flüchtlinge in der Schweiz (1940-1949) (Arbeitstitel) soll dies geändert werden. Es beschäftigt sich mit den Leiterinnen und Leitern, die für die 'Zentralleitung der Heime und Lager' (ZL) tätig waren. Diese Behörde bestand von 1940 bis 1949 und war der Eidgenössischen Polizeiabteilung angegliedert.

In einem ersten Schritt werden die nicht geschlossen überlieferten Akten der ZL zusammengetragen, um das bislang nicht vorhandene vollständige Bild des Bestehens der verschiedenen Lager und Heime sowie des Personaleinsatzes zu zeichnen. Aufbauend auf diesem ersten Teil wird im Hauptteil der Untersuchung die Kollektivbiografie einer Gruppe von Leiterinnen und Leitern von Flüchtlingslagern und  -heimen erarbeitet. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse können Aufschluss geben über eine Gruppe von Menschen, die in ihrer Funktion eine Schlüsselposition im Zusammenspiel verschiedener Akteure einnahmen: Sie waren die Schaltstelle zwischen Behörden, Bevölkerung und Flüchtlingen. Dank dem kollektivbiografischen Ansatz lassen sich Fragen nach der Wahrnehmung der eigenen Position in diesem Spannungsfeld und dem Ausnutzen von Handlungsspielräumen, aber auch nach geschlechtsspezifischen Unterschieden beispielsweise im Karriereverlauf beantworten.

 

Bildnachweis: Ernst Meili lebte während seiner Tätigkeit als Leiter des Arbeitslagers Vouvry zusammen mit seiner Frau in einer Baracke in unmittelbarer Nähe zum Lager. Privatfoto, aufgenommen 1941/42 in Vouvry. Archiv für Zeitgeschichte Zürich, Nachlass Ernst Meili / 5.