Heute stellen Spitalgeburten die Norm dar, doch bis ins 20. Jahrhundert fanden Geburten mit wenigen Ausnahmen unter der Leitung von Hebammen im Haus der Gebärenden statt – dies trotz intensiver Propagierung der Spitalgeburt. Die Hebammen wurden von den Frauen und ihren Familien als Vertrauenspersonen und Expertinnen geschätzt. Die Forschung zur Hebammengeschichte hat dies ausführlich gezeigt. Bisher kaum bearbeitet wurde jedoch die Frage, weshalb von Hebammen geleitete Hausgeburten im Verlauf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts abnahmen und die Spitalgeburt sich allmählich durchsetzte. In meinem Forschungsprojekt untersuche ich diese Transformation aus der Perspektive der Geburtshelferinnen. Im Fokus steht die Interaktion der Hebammen mit drei zentralen Akteuren dieses Wandels: der Ärzteschaft, den Behörden sowie dörflichen und städtischen Gesellschaften. Um die Faktoren dieser Veränderung und deren Verlauf zu analysieren, wurde der Zeitraum von 1870 bis 1960 gewählt. Ausgehend von ersten Einsichten in regional sehr unterschiedliche Verläufe dieser Entwicklung geht das Projekt auf einer Stadt-Land-Achse vergleichend vor. Vertieft untersucht werden drei Deutschschweizer Kantone: Basel-Stadt als typischer Stadtkanton mit schneller Zunahme der Spitalgeburten, Basel-Landschaft als (stadtnaher) Landkanton mit einem ebenfalls raschen Anstieg von Spitalgeburten sowie Uri als von städtischer Infrastruktur entfernte Region mit nur wenigen Anstaltsgeburten bis in die 1940er Jahre. Analyseleitend ist die Frage nach der sozialen Nähe zwischen den Hebammen und den Frauen dieser unterschiedlichen Regionen. Dies soll mit Dokumenten des Hebammenvereins als offizieller Vertretung der Hebammen und mit Dokumenten aus lokalen Archiven untersucht werden – insbesondere mit den in der Hebammenforschung bis dato wenig berücksichtigten Beschwerdebriefen.