Erstbetreuerin: Prof. Dr. Madeleine Herren-Oesch
Das Dissertationsprojekt untersucht das translokale Kommunikations- und Interaktionsnetzwerk von Meyer Birman (1891–1955), dem Leiter der jüdischen Hilfsorganisation HIAS-HICEM in Shanghai, während der Jahre 1939–1949. Birman ist ein bislang in der Forschung kaum berücksichtigter Vermittler von Kontakten zwischen Asien, Amerika und Europa, der während des Zweiten Weltkrieges dank seines weltumspannenden Netzwerkes die Weiterreise und Versorgung von jüdischen Geflüchteten mit Informationen und Geldern ermöglichte.
Im Zentrum der Arbeit steht die Frage, welcher Strategien, Ressourcen und Fähigkeiten er sich in Zeiten von Krieg und den damit einhergehenden Einschränkungen bediente, um die ca. 20.000 jüdischen Geflüchteten in Shanghai zu unterstützen. Die Arbeit untersucht anhand dieses Beispiels die Produktion und den Transfer von Wissen, um Handlungs- und Kommunikationsmöglichkeiten im globalen Kontext eines weltumspannenden Krieges aufzeigen zu können. Ein akteurszentrierter Ansatz trägt dem Umstand Rechnung, dass bestehende Vorkriegskontakte und –institutionen neu definiert und verknüpft, neu geschaffen und etabliert werden mussten. Erste Vorarbeiten zeigen, dass die von Birman genutzten Kontakte jene jüdischen Akteure zu erfassen erlauben, welche die Entstehung und Funktionsweise globaler Netzwerke während des Zweiten Weltkrieges und Holocausts erhellen.
Ziel der Arbeit ist es, zu einer Globalgeschichte der jüdischen Flüchtlingshilfe beizutragen sowie die Rolle internationaler Organisationen in Kriegszeiten zu erforschen. Schließlich sollen Räume jenseits von Nation und Staatlichkeit sichtbar und die Thematik von Flucht und Exil in Asien in den Blick genommen werden. Indem die Studie Aspekte der Jüdischen Geschichte mit der globalgeschichtlichen Perspektive und der Geschichte internationaler Organisationen verbindet, stellt sie eine innovative Erweiterung der bisherigen Forschung dar.