Dass Ungehorsam und Rebellion Unstimmigkeiten in der Beziehung zwischen Herrschenden und Beherrschten provozierten, welche es im Sinne eines ‚Krisenmanagements’ auszugleichen galt, stellte sich für die Frühneuzeitforschung lange Zeit als unwiderlegbare Tatsache dar; mit welchen politisch-sozialen Prozessen dieses Krisenmanagement im Detail einherging, blieb abgesehen von oberflächlichen Verweisen auf die gesellschaftliche Institution der Huldigung sowie obrigkeitliche Willkür bislang allerdings weitgehend ungeklärt.
Die Studie tritt diesem Problem mit einem Ansatz entgegen, der Rebellion und Herrschertreue zu zentralen Analysekategorien erhebt und folglich eine Verbindung der Felder von Strukturgeschichte und historischer Semantik vorsieht: Auf welche Weise das Konzept obrigkeitlicher Willkür innerhalb frühneuzeitlicher Herrscher-Untertanen-Beziehungen verankert war, wird beispielhaft an der Kommunikation aufgezeigt, die sich zwischen dem Wiener Hof und den Ständen des habsburgischen Ungarns zu Beginn der 1670er Jahre – im Angesicht von Abtrünnigkeits- und Rebellionsvorwürfen gegen gewisse Bevölkerungsteile – ausformte.
Die Studie geht konkret der These nach, dass sowohl Herrscher- als auch Untertanenseite weitaus fragiler agierten, als ihnen dies von der Historiographie bislang zugeschrieben wurde; in der Analyse zeigt sich, dass obrigkeitliche Willkür nur auf den ersten Blick als solche erscheint und eng an das Phänomen der Benennungsmacht (Pierre BOURDIEU) geknüpft ist: Einem Geschehen müssen erste gewisse Schlagwörter oder Konzepte zugewiesen werden, bevor die Obrigkeit rechtliche Verfahren eröffnen und auf diesem Weg ihre Herrschaft konsolidieren kann.