Untersuchungen zur Entwicklung der Einbürgerungs- und Fremdenpolitik sowie ihrer rechtlichen und administrativen Umsetzung in Basel zwischen dem Beginn der Helvetik 1798 und der Gründung des Bundesstaats 1848
Die sog. „Sattelzeit“ – die Periode von ca. 1750-1850 – zeigt sich in verschiedener Hinsicht bestimmt von konfliktreichen Übergangsphänomenen. Diese werden im vorliegenden Projekt untersucht an einem konkreten Gegenstand, dem Bürger- und Fremdenrecht in Basel. Hier – so die Hypothese – wirkte sich das Spannungsverhältnis zwischen transnationalem Veränderungsdruck der Rechtssysteme und dem Beharrungsvermögen kleinräumlicher traditionaler Strukturen markanter aus als in straffer organisierten monarchischen Flächenstaaten. Die Untersuchung setzt ein mit dem revolutionären Umbruch der Helvetik 1798 und umfasst die Zeitspanne von der Restauration nach 1803 bzw. 1815 über die Kantonstrennung 1833, die eine für die Stadt Basel einschneidende Zäsur bedeutete, bis zur Gründung des schweizerischen Bundesstaates 1848. Auf kleinem Raum machen sich hier für die Zeit charakteristische antagonistische Tendenzen bemerkbar: traditionale zünftische Besitzstandwahrung kontra innovationsoffenere ökonomische Handelsinteressen; traditionales korporatives Stadt- bzw. Gemeindebürgerrecht kontra modernes gleiches Bürgerrecht innerhalb eines geschlossenen Staatsverbandes, wie es in der Helvetik für kurze Zeit Programm gewesen war.
Die Entwicklung des rechtlichen und substantiellen Bürgerrechtskonzepts in Basel ist dabei im Zusammenhang mit der europäischen Rechtsentwicklung zu betrachten. Das Bürgerrecht definiert nicht nur den rechtlichen Status des Bürgers, sondern durch die Verleihung von politischen Rechten auch seine Wirkung im politischen System und damit der Grad politischer und sozialer Partizipation. Das Bürgerrecht steht damit an der Schnittstelle zwischen Politik und Recht. Weitere Überschneidungen werden sich zu den Themenkomplexen Migration, Inklusion und Exklusion, wechselnde Definitionen von und der Umgang mit «Fremden» sowie zur Rechtslage der Geschlechter ergeben.
Hauptgrundlage für die Arbeit ist die Analyse der Gesetze und Verordnungen auf Gesamtschweizerischer, Kantons- und Gemeindeebene zum Erwerb und zur Wirkung von Bürgerrecht, aber auch zum Aufenthalt und zur Niederlassung von Nicht-Bürgern sowie zu den Auswirkungen bzw. Wechselwirkungen dieser Rechtsnormen. Ebenso werden, dort wo es die Quellenlage erlaubt (zumeist Rats- und Kommissionsprotokolle sowie einzelne politische Schriften), die politischen Aushandlungsprozesse im Vorfeld der Rechtsnormen in den Blick genommen.
Die konkrete Umsetzung der Kodifizierung mit ihren rechtspolitischen Intentionen wird anschliessend überprüft durch die qualitative Analyse der Protokolle der kantonalen und städtischen Räte sowie einer quantitativen Auswertung von Bürgerrechtsaufnahmen und der Gewährung von Niederlassungen. Im Staatsarchiv Basel liegt hierzu umfangreiches Aktenmaterial. Ausgewertet wurden von der Forschung bis jetzt bevorzugt die statistisch gut erfassbaren Bestände seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das verwaltungstechnisch weniger normierte Material zu den davorliegenden Jahrzehnten ermöglicht zwar nicht ähnlich umfassende quantitative Ergebnisse, ist aber für Untersuchungen zur administrativen Entwicklung und Praxis von Bürgerrecht und Niederlassung höchst aufschlussreich.