In der Schweiz wurden seit 1940 zivile Flüchtlinge in Lagern und Heimen zusammengefasst und betreut. Dies war eine zivile Angelegenheit, organisiert wurde sie durch die ZL (Zentralleitung der Heime und Lager) und Otto Zaugg. Zuständig für die zivilen Flüchtlinge war die Polizeiabteilung des EJPD (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement). Im Jahr 1942 stiegen die Zahlen von Menschen, die in der Schweiz Schutz vor Krieg und Verfolgung suchten, auch trotz der Schliessung der Grenzen immer stärker an. Die zivilen Behörden waren zunehmen mit der Betreuung und Unterbringung überfordert, so dass die Armee um Hilfe gebeten wurde.
Ab dem Herbst 1942 errichtete der Territorialdienst die ersten Auffanglager zunächst an der Grenze und später auch im Landesinneren. In diesen militärisch geführten Lagern wurden die Flüchtlinge erstversorgt, medizinisch untersucht und einvernommen. Der Territorialdienst entwickelt ein System von Lagern, das die Flüchtlinge vor ihrer definitiven zivilen Unterbringung durchlaufen mussten. Dieser Weg führte von Sammellagern an der Grenze um einen dreiwöchigen Aufenthalt in einem Quarantänelager in ein Auffanglager. Dort blieben die Flüchtlinge, bis Platz für sie in einem zivilen Lager, einem Heim oder bei privaten Personen gefunden wurde.
Die Lager des Territorialdienst sind bisher in der Forschung nur auf wenig Interesse gestossen. Sie bilden aber ein einen wichtigen Bestandteil der Schweizer Flüchtlingspolitik. Als provisorische Orte – sowohl von administrativer Seite aus gedacht, als auch in den Biografien der Flüchtlinge – sollen sie als Orte des Transits in einem Land, das sich selbst auch nur als Durchgangsland verstand, analysiert werden.
Gleichzeitig ermöglichen die überlieferten Quellen, die auch aus statistischem Material bestehen, eine Analyse nicht nur der Lager als Orte, sondern auch in ihrer geografischen Verteilung im Raum. In Zusammenarbeit mit der Digital Humanities Lab der Universität Basel wird auf Grundlage des gesammelten statistischen Materials eine digitale Karte entwickelt, die eine sowohl diachrone als auch synchrone Analyse der Grösse und Verteilung der Lager des Territorialdienstes erlaubt. Daran lassen sich sowohl die Flüchtlingsströme als auch die Wahl der geografischen Verteilung der Lager darstellen, die in einem kleinen Land wie der Schweiz, umgeben von kriegführenden Ländern auch taktisch und militärpolitisch relevant war.
Die Frage, wie die Schweiz die Flüchtlingserstversorgung in den Lagern des Territorialdienstes geleistet hat, steht im Zentrum dieses Forschungsprojekts. Dabei spielt auch das Judentum eine Rolle, die Mehrheit der Flüchtlinge wurden aufgrund ihres Judentums verfolgt. In der Schweiz werden sie durch verschiedene Akteure – Militär, Polizeiabteilung, (jüdische) Flüchtlingshilfe etc. – betreut, wobei die Religionszugehörigkeit, in der christlich geprägten Schweiz, immer eine Rolle spielte. Schlussendlich gibt es auch unter den Militärpersonen, die in den Lagern des Territorialdienstes Dienst tun, jüdische Schweizer und Schweizerinnen, deren komplexe Lage nicht ausser Acht gelassen werden soll.
Erstgutachter: Prof. Dr. Erik Petry
Zweitgutachter: Prof. Dr. Lukas Rosenthaler