Betreuung: Prof. Dr. Anke te Heesen, Prof. Dr. Markus Messling
Bildnachweis: Archiv Soziale Bewegungen, Freiburg

Der „Friede“ war eines der Schlagworte, unter denen Frauenorganisationen in Deutschland ihr politisches Engagement nach 1945 kurzzeitig sammelten. Der Begriff brachte disparate Aktivitäten auf einen Nenner, die von der weiblichen Reproduktionsarbeit bis zu intellektuellen Auseinandersetzungen mit dem demokratischen Neubeginn reichen konnten. Damit war er gerade für Frauen, denen oft qua Natur eine besondere Verantwortung für den Frieden zugeschrieben wurde, ein ermöglichender Begriff, der gleichzeitig drohte, sie auf die Sphäre einer partikularen Frauenpolitik festzuschreiben. Wie funktionalisierten weibliche Akteurinnen den Frieden, um am Aufbau einer demokratischen Nachkriegsordnung mitzuwirken? Und wie veränderte sich ihre Bezugnahme auf den Begriff über die Bruchlinien des Kalten Krieges hinweg, in denen Pazifismus im Westen als „Kommunismus“ diskreditiert wurde?

Diese Fragen untersuche ich in meinem Promotionsprojekt entlang dreier mikrohistorischer Fallstudien, in der jeweils eine Frau im Zentrum steht: die Physikerinnen Freda Wuesthoff (1896–1956) und Clara von Simson (1897–1983) sowie die Psychotherapeutin Christel Küpper (1906–1995). Alle drei prägten ein Friedensverständnis, das die Frage eines nuklearen Krieges und seine Folgen ins Zentrum rückte. Unter Bezugnahme auf ihr Selbstverständnis als Wissenschaftlerinnen assoziierten sie Friede nicht mit Weiblichkeit oder Mütterlichkeit, sondern mit einem „kühlen Kopf“: eine neue Weltordnung sollte aus dem Geist der Wissenschaft geboren werden. Ihr Engagement für den Frieden ging mit dem Kampf um eine politische Partizipation von Frauen an der neu aufzubauenden Demokratie Hand in Hand und nahm zwischen 1945 und 1979 verschiedene Formen an: zwischen Frauenbewegung und Friedenspolitik beginnend, entwickelte es sich in den 1950er Jahren zu einer Frauen(friedens)politik und schlug sich Ende der 1950er Jahre als Friedensforschung nieder, die sich in den 1960er Jahren zur Friedenserziehung ausdifferenzierte.

Als Grenzgängerinnen zwischen Frauenbewegung, (Partei)politik und Wissenschaft stellten die untersuchten Akteurinnen zeittypische Geschlechterzuschreibungen und Rollenbilder auf die Probe und brachten Bereiche zusammen, die für ihre männlichen Zeitgenossen bis in die 1950er Jahre als unvereinbar galten. Als marginale Fälle machen sie damit größere Entwicklungen der Bundesrepublik greifbar: den Ort der Frauen in der westdeutschen Demokratie, deren Verhältnis zur Wissenschaft und die konfliktgeladene Geschichte des Terminus‘ „Frieden“ vom Kriegsende bis zum NATO-Doppelbeschluss.