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Rückblick: Studienwoche SJF "Digital Humanities"

SJF

Aimee und Jonathan, Teilnehmende von Schweizer Jugend Forscht 2019 (Bild: Universität Basel, Departement Geschichte)

Wir freuen uns, dass Aimee (18) aus Wil und Jonathan (17) aus dem Zürcher Oberland vom 10.-15. November 2019 bei uns am Departement Geschichte zu Besuch waren.

Im Rahmen der Studienwoche «Digital Humanities» von Schweizer Jugend Forscht haben sie bei Prof. Dr. Martin Lengwiler und seinem Team im Projekt «Commercial Networks between Switzerland and Asia» eine kleine Forschungsaufgabe übernommen. Unterstützt und begleitet wurden sie von Eric Decker, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Departement Geschichte und Europainstitut,  und Sorin Marti, Student und Hilfsassistent am Europainstitut.

Wir haben Aimee und Jonathan getroffen und ein Interview geführt.

Hallo Aimee, hallo Jonathan, warum habt ihr euch für dieses Projekt im Fach Geschichte beworben?

Aimee: Ich habe mich für dieses Projekt beworben, weil ich meine Maturaarbeit zum Thema «Schweizer-Chinesisches Freihandelsabkommen» schreibe und ich mir zusätzliche Einblicke in die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Asien erhofft habe. Diese Erwartung hat sich bewahrheitet.

Jonathan: Ich habe mich angemeldet, weil ich die Studienwoche «Digital Humanities» eine sehr gute Möglichkeit finde, um schon mal «Uni-Luft» zu schnuppern, und ich mir u.a. auch vorstellen könnte, etwas in diese Richtung zu studieren. Daneben bin ich ein extrem neugieriger Mensch und finde deshalb Forschung spannend und wichtig.

Wie wurdet ihr am Department Geschichte empfangen? Wer hat euch betreut und begleitet und wie war die Zusammenarbeit mit Deine/r Mitschüler/in?

Jonathan: Am Montagmorgen wurden wir von Prof. Martin Lengwiler empfangen und in die Arbeit eingeführt. Auch die Räumlichkeiten mit Kaffeemaschine etc. lernten wir kennen und ich nahm die Atmosphäre als sehr angenehm und arbeitsam wahr. Die Woche hindurch wurden wir von Sorin Marti, Mitarbeiter an dieser Studie und Student, begleitet. Die Zusammenarbeit mit ihm gefiel mir gut, in Erinnerung bleibt mir auch der Vorlesungs-Besuch zu Globalgeschichte. Auch mit Aimee, meiner Mitschülerin, verstand ich mich von Anfang an gut, wir konnten konstruktiv zusammenarbeiten und auch der Humor kam dabei nicht zu kurz.

Aimee: Wir wurden herzlich empfangen. Ich mag Organisation, da muss ich dem Departement Geschichte einige Lorbeeren geben, die Woche war sehr gut organisiert und wir hatten immer alles zur Verfügung. Herr Professor Lengwiler hat uns begleitet und uns die Aufgabenstellung gegeben. Herrn Sorin Marti haben wir dann immer «belästigt» falls es irgendwelche Unklarheiten bei der Umsetzung gab. Die Zusammenarbeit mit Jonathan war sehr angenehm. Wir verstanden uns sehr gut und konnten gemeinsam an unseren Ideen weiterarbeiten. Meiner Meinung nach haben wir uns auch immer sehr gut abgesprochen.

Welche Aufgaben wurden euch gestellt?

Jonathan: Unser Forschungsprojekt bestand darin, zu untersuchen, ob und wie stark Schweizer Versicherungen von 1885 und 1930 in Ostasien bereits vertreten waren. Dabei beschränkten wir uns auf Zurich, Baloise und Helvetia. Das Produkt war eine interaktive Grafik mit einem verschiebbaren Zeitstrahl.

Aimee: Wir hatten die Aufgabe ein Tool zu erstellen wo ersichtlich ist, in welcher Stadt in Ost-Asien, welche Versicherungen zu welchem Zeitpunkt vorhanden sind.

Mit welchen Quellen habt ihr gearbeitet? Und was war daran digital?

Aimee: Wir haben mit sog. Directories gearbeitet. Diese wurden von den britischen Kolonialisten geschrieben. Glücklicherweise mussten wir diese nicht einzeln durchblättern, sondern sie wurden uns im PDF-Format zur Verfügung gestellt. Dies war eine grosse Erleichterung denn so konnten wir schnell und präzise arbeiten.

Jonathan: Unsere Quellen waren Adressbücher von den wichtigsten Städten Ostasiens, die seit 1860 von den kolonial sehr aktiven Briten für jedes Jahr erstellt wurden. Diese Bücher enthalten Infos über die Unternehmen in diesen Städten und auch denjenigen, die sie vertraten und sind eine sehr gute, besonders quantitative Möglichkeit, neue Erkenntnisse über das internationale Firmenwesen von damals zu gewinnen. Da die Bücher in verschiedenen Museen in der ganzen Welt verstreut gelagert sind, hat das Forschungsteam sie in digitaler Form gesammelt.

Welche Auswertungsmöglichkeiten habt ihr kennen gelernt? Wurde ein spezifisches Tool benutzt?

Jonathan: Wir wurden zu Beginn in die «richtige Forschungsarbeit» mit einem digitalen Tool (Anm. Mirador https://projectmirador.org/), eingeführt, um die Adressbücher auszuwerten. Doch da die Studie erst in ihren Anfängen ist, und das Tool derzeit noch entwickelt wird, haben wir für unser Projekt dann vorwiegend den PDF-Reader und dessen Suchfunktion benutzt.

Aimee: Wir haben einen PDF-Reader benutzt und dann die Daten in eine Excel Tabelle hinterlegt. Danach haben wir diese Datei in eine andere umgewandelt, damit wir sie in eine Geo-Maps Webseite einfügen konnten.

Anmerkung Sorin Marti: Anhand der Ausgaben des «Directory and Chronicle for China, Japan, The Philippines [...]» haben die beiden untersucht, wo schweizerische Versicherungsunternehmer in Ostasien präsent waren und wie sich diese Präsenz über die Jahrhundertwende zum 20. Jh. verändert hat. Dabei haben sie zwei Thesen herausgearbeitet: Im Zuge des ersten Weltkrieges nimmt die Präsenz ab. Dies lässt sich (wenn man davon ausgeht, dass die Datenlage stabil bleibt) damit erklären, dass die Schweizer sich oft von Deutschen vertreten liessen und diese deutschen Niederlassungen im englisch "kontrollierten" Gebiet unter Beschuss gerieten. Weiter geht aus Jubiläumsschriften der Versicherer hervor, dass sie das Asiengeschäft als Marginalie beurteilen, die Directories zeigen aber, dass eine durchgehende Präsenz über mehrere Jahrzehnte bestand und somit, dass die CH-Versicherer sehr wohl versucht hatten in Asien ernsthaft Geschäfte zu machen.

Konkret haben sie sich also in den Jubiläumsschriften der Basler, Zürich und Helvetia Versicherung schlau gemacht und ihre Vertretungen aus den digitalen Scans der Directories herausgesucht. Zudem haben sie über ein Annotationstool einzelne Einträge erfasst, die wir weiter in Forschungsprojekten verwenden werden. Die erfassten Daten haben die beiden in einer interaktiven Karte visualisiert.

Ihr habt auch eine Vorlesung besucht. Was war das Thema und wie hat es Dir gefallen?

Jonathan: Das Thema war «Einführung in die Globalgeschichte Europas: das 19. Jahrhundert» (bei Prof. Dr. Madeleine Herren-Oesch) Auch wenn ich teils nicht ganz mitgekommen bin, waren grosse Teile der Vorlesung sehr interessant, auch da es sich um eine Einführung handelte, die nicht immenses Vorwissen erforderte. Es war für mich eine gute Erfahrung, auch das «ganze 1.5 Stunden lang Stillsitzen, Zuhören und die vielen Informationen Verarbeiten» war etwas, das ich mir nicht gewöhnt war.

Aimee: Es war eine sehr interessante Vorlesung. Am meisten hat mir gefallen, dass wir Zusammenhängen und dem globalen Kontext, und nicht staatsspezifisch dem Thema nachgegangen sind.

Nachdem Du nun Einblick in die Forschungsarbeit der Geschichtswissenschaft erhalten hast: Wäre Geschichte auch ein Fach, das Du gerne studieren würdest und wenn ja, warum? Und falls nein, warum nicht?

Aimee: Ich fand den Einblick toll. Ich liebte es Zusammenhänge zu sehen und die einzelnen Bestandteile in den grösseren Kontext zu setzen. Jedoch werde ich Geschichte als Bachelor Studium nicht in Betracht ziehen, da mich das Fach Wirtschaft noch mehr interessiert. Was ich mir jedoch vorstellen kann, ist Wirtschaftsgeschichte als Master Studium zu absolvieren.

Jonathan: Wie schon zu Beginn erwähnt, möglicherweise ja. Ich muss jedoch sagen, dass im Moment wieder Medizin zuoberst auf meiner Präferenzliste steht. Geschichte fände ich als Nebenfach interessant, aber gerade mit dem aufwendigen medizinischen Studiengang ist dies ja nicht möglich. Aber ich mache nach der Matur zunächst sowieso erstmal ein Zwischenjahr, noch nichts ist in Stein gemeisselt.

Vielen Dank für eure Antworten und eure Zeit! Und wer weiss, vielleicht kehrt ihr ja als Student/in wieder hierher zurück, was uns natürlich sehr freuen würde!

Wir wünschen euch beiden auf jeden Fall viel Glück und alles Gute für euren weiteren Weg!

Christina Panizzon, Kommunikation/Öffentlichkeitsarbeit, Departement Geschichte