Dr. des. Nicolai Kölmel

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Beitrag im Festschriftblog für Susanna Burghartz ist online.

 

 

 

Geteilte Vorstellungen. Selbstverortungen Venedigs zwischen Levante, Lagune und terra ferma; 1453 - 1600

Das frühneuzeitliche Verhältnis Venedigs zu ihren mediterranen Nachbarn war spannungsvoll. Grenzte sich die Lagunenstadt in Differenzvorstellungen, religiös motivierten Feindbildern und militärischen Konfrontationen einerseits von den (muslimischen) Ländern der Levante ab, war sie mit diesen andererseits durch Akteure, Handel und kulturellen Austausch eng verbunden. Zugleich gewannen seit dem 15. Jahrhundert die venezianischen Festlandterritorien zunehmend an kultureller, politischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Wie sich Venedig als ein Gemeinwesen zwischen diesen Polen selbst verortete und wie sich diese Verortungen im Untersuchungszeitraum wandelten, ist das Thema meiner Arbeit.

Um den Mittelmeerraum in seiner für das venezianische Selbstbild widersprüchlichen Bedeutung zu fassen und zu beschreiben, wird in der Arbeit der Begriff der gesellschaftlichen Vorstellungen entwickelt. Bilder, Objekte und Texte aber auch Prozessionen, Feste und staatliche Institutionen lassen sich so als Entitäten fassen, welche gesellschaftliche Vorstellungen im vollumfänglichen Sinn des Wortes bilden; sie sind gleichermaßen Vorstellungsformen und -formanten. Artefakte bringen Vorstellungen also nicht nur zum Ausdruck, sondern stellen sie auch her und präsentieren sie. In der vollen Bedeutungsspanne des Begriffs werden solche gesellschaftlichen Vorstellungen also nicht nur besessen, sondern auch gemacht und gegeben.

Die Arbeit geht in der Beschreibung der gesellschaftlichen Vorstellungen immer von einzelnen Bildern und Objekten aus und entfaltet an diesen deren konkreten imaginären Verflechtungen. Dadurch werden die unterschiedlichen und teils widersprüchlichen Bedeutungen greifbar, welche insbesondere dem osmanische Reich in den gesellschaftlichen Vorstellungen Venedigs zukam.

In drei Kapiteln beleuchtet die Dissertation unterschiedliche Aspekte dieser Bedeutungen und fragt nach deren Wandel im Kontext sozialer, künstlerischer, wirtschaftlicher und kultureller Veränderungen. Der frühneuzeitliche Mittelmeerraum wird so als Ort gemeinsam geteilter, wie auch als trennend-teilender Ort verständlich. Im ersten Kapitel geht die Arbeit diese beiden Formen des Teilens an Bildnissen osmanischer Herrscher nach. Im zweiten Kapitel fragt sie mit Blick auf den Stadtraum nach den Überblendungen, mit denen der Mittelmeerraum Eingang in das venezianische Selbstbild fand. Im dritten Kapitel schließlich werden an Schlachtendarstellungen, Flugblättern und religiösen Darstellungen die unterschiedlichen Rollen verhandelt, in denen das osmanische Reich in venezianischen Differenzvorstellungen auftrat.

Über eine Verflechtungsgeschichte zwischen Venedig und dem osmanischen Reich hinausgehend bietet die Dissertation so eine Möglichkeit Konfrontations- und Durchdringungsnarrative zusammenzubringen und in einer Strukturgeschichte des Imaginären  die Welt des frühneuzeitlichen Mittelmeers in ihrer schillernden Vielfalt aufscheinen zu lassen.

Mediterranean Figurations:

Early Modern Venezianità between Levant, Laguna and Terraferma 1453 – 1600.

(Geteilte Vorstellungen. Selbstverortungen Venedigs zwischen Levante, Lagune und terra ferma)

The relations between early modern Venice and the Mediterranean were ambiguous. On the one hand, Venice fashioned herself in opposition to her Muslim neighbours in the Levant. Military conflicts, anti-Ottoman riots, humanist texts, pamphlets and pictures shaped an image displaying especially the Turks as demons, religious foes or military enemies. Whilst at the same time, on the other hand, trade, cultural transfer and individual actors linked Venice closely to those areas of the Mediterranean. Simultaneously, the Venetian mainland possessions gained increasing cultural, political and economic relevance for Venetian society. The goal of this book is to comprehend how Venice positioned herself in this intricate web, by studying Venetian self-conceptions and their change during the 15th and 16th centuries.

To do so, I adapted Cornelius Castoriadis’s theory of social imaginaries to an early modern context. In this regard, artefacts are not only seen as expressions of collective notions and ideas, but also as instruments to shape and present these notions and ideas for and to a Venetian audience. Artefacts therefore have expressive, formative and performative dimensions, they express, form and build a society. Images, objects, texts as well as processions, festivities or state institutions are thus not only a product of a certain society, they are also an important brick in its construction.

In order to understand the Venetian self-image and how the Mediterranean figured within it, I use individual pictures, objects, texts or buildings as starting points. I then go on to explore and connect their respective, various – and partly contradictory – meanings. Therein, ideas of the Venetian neighbours as Muslim foes and/or Levantine trading partners crossfaded with images of Venice as a holy and Mediterranean city. From the description and analysis of the social, political, economic and cultural entanglements of the sources, a nuanced picture of the Mediterranean (and especially of the Ottoman Empire) emerges within Venetian self-conceptions.

The three main chapters deal with the different facets of meanings bestowed on the Mediterranean and the Ottoman Empire as well as with their shifts and transformations due to social, artistic, economic and cultural changes. This way, the early modern Mediterranean becomes tangible both as a shared cultural sphere and as an area to express ideas of division and enmity. The first chapter traces aspects and configurations of this area of connection and difference using pictorial representations of Ottoman rulers. With regard to Venetian architecture and its representation as well as the role of Ottoman visitors, the second chapter examines functions of the Mediterranean within the imaginary topography of Venice. In the third chapter, various roles of the Ottoman Empire as a Venetian Other are analysed in pamphlets as well as depictions of battles and religious topics.

In combining various methodological and theoretical approaches and bringing together narratives of confrontation and intersection, the book is more than a history of cultural encounters or another case study in Venetian visual culture. As an amalgam of object-biographical approaches, a history of entanglements and concepts of imagined communities, it presents the world of the early modern Mediterranean in its iridescent, dazzling diversity.

Die Geburt der Mittelalter aus dem Geist der Melange. Christianisierte Germanen, der Islam und das römisch-antike Erbe in Jacob Burckhardts Mittelalterkonzeptionen. Kolloquiumsvortrag Hagen. 02.02.2021

Mediterrane Dingwelten. Venezianische Artefakte zwischen Levante, Lagune und 'terra ferma' im Spätmittelalter. Mittelaltergespräch Universität Regensburg. 11.11. 2020

Die vielen Gesichter des Sultans. Herrscherporträts und politischer Bildgebrauch zwischen Venedig und dem Osmanischen Reich (1479-1600). Vorlesung im Rahmen der Lehrveranstaltung von Prof. Urte Krass (Bern) Politischer Bildgebrauch in der Frühenneuzeit. Bern; 16. März 2020.

Verdinglichte Weltmacht. Die kurze Objektbiographie eines venezianischen Kaiserhelms für den osmanischen Sultan zwischen Venedig, Wien und Istanbul. Vortrag auf der Internationalen Jahrestagung des Mittelalterzentrums  Forum Mittelalter der Universität Regensburg und dem DFG Graduierten Kolleg "Metropolität in der Vormoderne"; Regensburg, Oktober; 2019.

Geteilte Vorstellungen: der muslimische-osmanische Mittelmeerraum als Teil venezianischer Identitäten. Vortrag auf dem internationalen Workshop  Identitäten - Identités. École Pratique des Hautes Études / Kunstgeschichtliches Seminar Hamburg. Warburghaus Hamburg. 3. Mai 2019.

Von der Weltstadt zum globalen Marktplatz: Horizontverschiebungen in den gesellschaftlichen Vorstellungen Venedigs während des langen sechzehnten Jahrhunderts. Vortrag auf der Internationalen Jahrestagung des Mittelalterzentrums  Forum Mittelalter der Universität Regensburg und dem DFG Graduierten Kolleg "Metropolität in der Vormoderne"; Regensburg, Oktober; 2018.

Emperors and Merchants. A Venetian Helmet for the Ottoman Sultan as a Global Object. Workshop Basel-Warwick: "On Materiality and the Global" Februar, 2017.

Venetian Ottomanisms: Turkish Popes and Nordic Turks or Ottomanising the Roman Antiquity. On some Problems of a Semantic of the Levantine in Venetian Narrative Painting. Workshop Basel meets Queen Mary; 2016.

Changing Places-Chancing Faces. A Portrait Series of Ottoman Sultans as an Object of Venetian-Ottoman Encounter. 15th International Congress of Turkish Arts, Neapel, September 2015.

Annahme verweigert? Ausblenden, umdeuten anverwandeln. Vorstellungen der Levante in der venezianischen Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts. Vortrag auf dem Workshop "Prozesse und Perspektivität des (Nicht-)Verstehens im Kulturkontakt" des DFG-Netzwerks "Dynamiken interkultureller Begegnungen" Kiel; Juni, 2015.

Gesichter, Drucke, Dynastien: Bartholomaeo Georgieuiz ‚De Origine Imperii Turcorum‘ und die Verbreitung osmanischer Sultansbildnisse in der Frühen Neuzeit. Melanchthon-Akademie Bretten; März, 2015.

Geteilte Vorstellungen: Güter, Gaben, Gegner und Geschichte(n): Der östliche Mittelmeerraum in der visuellen Kultur Venedigs im 16. Jahrhundert. Kolloquium: Zur Geschichte der Vormoderne; Basel, Februar, 2015.

 

- frühneuzeitliche Beziehungs- Objekt- und Verflechtungsgeschichte, besonders im östlichen Mittelmeerraum

- Imagination und Vorstellungen: Prozesse vormoderner Gesellschaftsbildung

- Bild- und Kunstgeschichte

- Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts: Besonders Jacob Burckhardts Blick auf das Mittelalter

 

Seit Aug. 2020 Assistenz Lehrstuhl für Spätmittelalter Universität Basel bei Prof. Dr. Lucas Burkart (Vertretung)
2019 Mitarbeit im Projekt Münsterschatz digital

Januar 2019 

 Abschluss des Doktorats an der Universität Basel.

 Betreuung durch: Prof. Dr. Lucas Burkart (Departement Geschichte; Basel) und Prof. Dr. Barbara Schellewald (Institut für Kunstgeschichte; Basel).

Seit April 2017

 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Jacob Burckhardt Edition, Basel.

2012-2017

Mitglied im interdisziplinären proDoc sites of mediation am Historischen Departement der Universität Basel und am Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern; Teilprojekt entangled worlds – Venedig, das Osmanische Reich und Byzanz in der Renaissance.

2012-2015:

mehrere Lehraufträge  am Kunsthistorischen Institut der Universität Tübingen Schwerpunkt Methodik und Theorie

2004-2012:

Studium Philosophie und Kunstgeschichte an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen; Abschluss Magister.

- Tutorien; zu Geschichte des Denkmals und zu Methoden in der Kunstgeschichte.
- Hilfswissenschaftliche Assistenz zur Betreuung der Diathek und Organisation der Umstellung des analogen auf ein digitales Bildarchiv.

1997-2012:

Arbeit als Krankenpfleger in Voll- und Teilzeit.

1993-1997:

Pflegehelfer und berufsbegleitende Ausbildung zum Krankenpfleger.